Beate Frankenberger, Peter Seidel, Max Körte und Jutta Höcht-Stöhr hatten vor einiger Zeit die Idee zu dieser Gesprächsreihe. Es kamen dabei drei außergewöhnliche Gesprächsabende zustande, die immer muslimisch und jüdisch besetzt waren, was das Thema spannend machte.
Am Dienstag, den 27. Februar 2024, kamen Gönül Yerli und Eva Haller miteinander ins Gespräch. Sie unterhielten sich über die Pädagogik der Zukunft. Können jüdische und muslimische Bildungsprojekte die Menschen zusammenbringen? Eva Haller ist die Vorstandsvorsitzende und Präsidentin der Janusz Korczak Akademie e.V., die es sich zur Aufgabe gemacht hat, durch Vermittlung von Wissen die jüdische Gemeinschaft zu stärken, sie zu öffnen und Berührungsängste in jeder Richtung abzubauen. Gönül Yerli ist muslimische Religionspädagogin und Vize-Direktorin der Islamischen Gemeinde in Penzberg. Außerdem ist sie stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Münchner Forums für Islam, einem Ort der Begegnung. Hier ist eine lebendige und lebhafte Gemeinde gewachsen aus vielen jüngeren und auch älteren Männern mit oder ohne Bart, Frauen mit oder ohne Kopftuch, aus den unterschiedlichsten Herkunftsländern. Was sie verbindet, ist die Identifizierung mit dem Islam und zugleich mit dem Land, in dem sie leben, mit Deutschland, seiner Sprache, seiner Kultur, seinen Wertvorstellungen. Es war ein spannendes Gespräch.
Der zweite Abend am 5. März befasste sich mit dem Thema „Der unterbrochene Dialog: Wie kann er wieder in Gang kommen?“ und war besetzt mit Marian Offman, dem Münchner Stadtrat und Beauftragten für interreligiösen Dialog der Landeshauptstadt München. Außerdem hat er gerade ein lesenswertes Buch „Mandelbaum“ geschrieben. Sein Gegenüber war Erkan Inan, dem Kulturverantwortlichen des Münchner Forums für Islam. Er gründete das Festival „AusARTEN – Perspektivwechsel durch Kunst“, ist Initiator der Initiative „Kritisch denken“ und Mitinitiator des „Jüdisch-Muslimischen Stammtischs“ in München. Es ging um den Bruch der gewachsenen freundschaftlichen Beziehungen in München nach den Anschlägen in Israel am 7. Oktober 2023.
Erkan Inan stellt uns seine Initiativen vor und erzählt von seinem Leben als Kind von Gastarbeitern, geboren und aufgewachsen in Deutschland, erzkatholisch erzogen von einer Münchnerin, obwohl er gebürtiger Muslim ist und dies nie praktiziert hatte. Durch diese Lebenserfahrung kann er so viele verschiedene hybride Menschen zusammenbringen und sieht die Kunst als eine Brücke.
Marian Offman ist Jude, seine Eltern haben ihm keine Religion mitgegeben, aber er wollte seinen Kindern einen traditionellen Weg aufzeigen, sie aber selbst entscheiden lassen. Er setzt sich gegen Rassismus und Antisemitismus ein und zeigt vollen Einsatz für die muslimisch-jüdische Verständigung. Es wurde eine Charta zwischen den Religionen erarbeitet, die aber nicht zum Einsatz kam. Dem Abschluss der Charta haben die Anschläge am 7. Oktober ein jähes Ende gesetzt. Seitdem, so sagt er, ist ein Bruch entstanden. Die Trauer war noch nie so groß und das Gefühl lässt sich nicht vertreiben. Die Entwicklung der Politik sieht er problematisch. Es ist schwierig geworden.
Aber beide sind fest entschlossen, weiterzumachen. Sie sitzen bei uns auf der Bühne und sehen das als einen Schulterschluss.
Wir danken für die wunderbaren Geschichten, den Ton und den Geist in dem Gespräch und den Bericht über die persönliche Erfahrung.
Der dritte Abend der Reihe ging um das Thema „Was ist der Mensch vor Gott? Was ist seine Verantwortung?“ und fand am 13. März 2024 statt. Eingeladen war Michaela Rychla M.A., eine Geschichtswissenschaftlerin und Lehrerin für jüdische Religion in Frankfurta.M., Halle/Saale, München und Regensburg. Sie kam ins Gespräch mit Gönül Yerli, die oben bereits vorgestellt wurde.
In diesem Gespräch ging es um die verschiedenen Bräuche der Religionen, das Fasten, die Gottesbilder, die Pflichten und Gebote, die die jeweilige Religion vorschreibt. Beide Referentinnen waren der Meinung, dass die Kinder die Moral nicht vergessen dürfen, weshalb die Erziehung in der Familie so wichtig ist. Sie lernen, wie man sich benimmt, was richtig und falsch ist und deshalb müssen Eltern die Tora/Koran so kennen, damit sie die Kinder erziehen können. Es darf nicht vergessen werden, weil die nächste Generation wieder erzogen werden muss. Deshalb ist die Mutter die Säule der Familie. Man kann es auch so ausdrücken: Der Vater ist der Kopf, die Mutter der Hals. Die Familie ist heilig und darüber hinaus darf ich arbeiten und Gutes tun. Hier waren sie sich einig.
In beiden Religionen ist der Auftrag, das Leben auf der Erde gottgewollt zu leben, niemandem weh zu tun. Der Mensch kann sich den Weg suchen, den er will.
Die Religionen haben viel Gemeinsamkeit und vor allem die Erkenntnis, dass wir von Gott geliebt sind. Es gibt keine Gottesliebe ohne die Menschenliebe. Ohne diese zwei Säulen bricht alles zusammen. Jeder Mensch, der seinen Glauben praktiziert, ist gut aufgehoben.
Am Ende singt Michaela den Psalm 126 und die israelische Nationalhymne, deren Melodie auch ein hebräischer Kanon ist: Oh wie gut, wenn Brüder und Schwestern beisammen sind.
Diese Dialogreihe hat in diesen Zeiten gutgetan. Sie hat das Verständnis für die anderen Religionen gefördert, gezeigt, dass es auch im Frieden geht und dass wir nicht weit voneinander entfernt sind.